Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Steuerbefreiungen für das Betriebsvermögen dürfen weiter bleiben. Es muss genauer im Hinblick auf die Betriebsgröße differenziert werden. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, bis 30.06.2016 neu zu regeln.
Mit Spannung wie selten erwartet wurde die heutige Entscheidung des Bundeverfassungsgerichts. Wieder einmal stand die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer (ErbSt) zur
Debatte.
Ergebnis: nur moderate Änderungen beim Betriebsvermögen
Das Bundesverfassungsgericht hat moderat entschieden und die Begünstigungen für Firmenerben nicht vollständig gekippt. Im wesentlichen hat das Gericht bemängelt, dass größere Betriebe zu
günstig behandelt werden. Hier muss der Gesetzgeber nun nachbessern und eine genaue Differenzierung einführen, die vom Gericht so genannte "Bedürfnisprüfung".
Auch die Grenze für Kleinbetriebe sei zu hoch angesetzt. Bislang ist es bei Betrieben bis 20 Arbeitnehmern nicht erforderlich, dass die Arbeitsplätze beim Erbgang erhalten bleiben. Das Bundesverfassungsgericht fordert hier eine Absenkung dieser Grenze. Künftig wird es auch in kleineren Betrieben auf den Arbeitsplatzerhalt bei Übertragung/Vererbung ankommen.
Formale Entscheidung: "Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz"
Das Bundesverfassungsgericht hat (wie zu erwarten) den Weg gewählt, das bestehende Recht als unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären und eine Frist für eine Neuregelung bestimmt.
Das Erbschaftsteuerrecht ist also jetzt nicht nichtig, sondern gilt weiter bis zum Fristablauf wie bisher fort. Das Gericht hat das Fristende für die Neuregelung der Erbschaftsteuer auf
den 30.06.2016 festgelegt.
Bis dahin sind Übertragungen nach dem bestehenden (günstigeren) Recht möglich.
Ausblick: weitere Neuregelungen zu erwarten
Bei der Neuregelung des Gesetzgebers ist zu erwarten, dass einige andere Punkte im Erbschaftsteuerrecht gleich mit nachgebessert werden.
Z.B. könnten Behaltefristen neu eingeführt werden im Bereich der Steuerbefreiung des Familienheims. Auf dem Prüfstand steht regelmäßig auch die Bewertung von Grundstücken, die an die weiter an die aktuellen Marktwerte angepasst werden könnte.
Im Bereich betrieblicher Strukturen sind ebenfalls weiter Anpassungen denkbar, um bisher bekannte Steuerstrukturierungen auszuhebeln.
Prüfung/Anpassung von Übergabekonzepten und Testamenten
Wir raten daher dringend dazu, bestehende Übergabekonzepte im betrieblichen und privaten Bereich zu prüfen und ggf. noch unter dem bestehenden Recht im Jahr 2015 umzusetzen!
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Bitte beachten Sie auch unsere Vorträge "Testament und Erbschaftsteuer nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts - jetzt handeln!", die wir am 12.2.2015 bei uns im Haus als kostenfreie Informationsveranstaltung von 18:30 bis 20:30 Uhr anbieten (Details folgen in Kürze).
Sprechen Sie uns gerne direkt an -- Ihr Ansprechpartner: RA/StB Harald Zankl -- Per E-Mail kontaktieren
Wortlaut des Textes des Bundesverfassungsgerichturteils vom 17.12.2014 in der Sache Az. 1 BvL 21/12 - verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer
Nachfolgend sehen Sie den Original-Leitsatz des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 17.12.2014 in der Sache Az. 1 BvL 21/12 - der Link zum vollständigen Urteil ist unten nochmals eingefügt:
Leitsätze
zum Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014
- 1 BvL 21/12 -
- Art. 3 Abs. 1 GG verleiht Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf verfassungsrechtliche Kontrolle steuerrechtlicher Regelungen, die Dritte gleichheitswidrig begünstigen, das eigene Steuerrechtsverhältnis aber nicht betreffen. Anderes gilt jedoch, wenn Steuervergünstigungen die gleichheitsgerechte Belastung durch die Steuer insgesamt in Frage stellen.
- Im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG ist eine bundesgesetzliche Regelung nicht erst dann, wenn sie unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit ist. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber problematische Entwicklungen für die Rechts- und Wirtschaftseinheit erwarten darf. Ob die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sind, prüft das Bundesverfassungsgericht, wobei dem Gesetzgeber im Hinblick auf die zulässigen Zwecke einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit im gesamtstaatlichen Interesse eine Einschätzungsprärogative zusteht.
- Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber im Steuerrecht einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Sie bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Dabei steigen die Anforderungen an die Rechtfertigung mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.
-
Die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten
Gestaltungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
- Es liegt allerdings im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der Erbschaftsteuer weitgehend oder vollständig freizustellen. Für jedes Maß der Steuerverschonung benötigt der Gesetzgeber allerdings tragfähige Rechtfertigungsgründe.
- Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
- Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz verfassungsgemäß; die Freistellung von der Mindestlohnsumme privilegiert aber den Erwerb von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig.
- Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie den Erwerb von begünstigtem Vermögen selbst dann uneingeschränkt verschont, wenn es bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, ohne dass hierfür ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt.
- Ein Steuergesetz ist verfassungswidrig, wenn es Gestaltungen zulässt, mit denen Steuerentlastungen erzielt werden können, die es nicht bezweckt und die gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 21/12 -
Verkündet
am 17. Dezember 2014
Kehrwecker
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle